#105 "Humanity and Paper Balloons" (1937)

Am 25. August 1937, am Tag der Premiere von "Humanity and Paper Balloons", wurde Regisseur Sadao Yamanaka in den Krieg eingezogen. Wenige Monate später verstarb der 28-Jährige in der Manchurai. Von seinen 30 Filmen sind bis heute nur drei erhalten geblieben. "Sazen Tange and the Pot Worth a Million Ryo" (1935), "Priest of Darkness" (1936) und "Humanity and Paper Balloons" (1937) zählen auf Grund ihrer visionären Inszenierung zu den Meilensteinen des japanischen Kinos.

Verzweiflung rahmt die Handlung, die mit einem Suizid beginnt und endet. Basierend auf dem Kabuki Stück „Shinza the Barber“ von Kawatake Mokuami, präsentieren Schauspieler der noch jungen Theatertruppe Zenshinza einen naturalistischen Stil und erzählen die Geschichte des herrenlosen Samurai Matajuro Unno und seinem Nachbarn, dem Friseur Shinza, die in einem Armenviertel im Edo des 18. Jahrhunderts leben. Gemeinsam entführen sie die Tochter eines reichen Kaufmannes, um aus ihrem Elend zu entkommen. Doch die Hoffnungen der Beiden werden enttäuscht.

Yamanaka lernt sein Handwerk bei Shozo Makino in den frühen 20er-Jahren und sammelt viel Erfahrung im Jidaigeki. In seinen eigenen Produktionen gelingt es ihm das Genre von seiner historischen Schwere zu lösen und verwandelt die Geschichten von tapferen Schwerkämpfern in universelle Tragödien, die mit viel Zynismus vom Leid der Unterschicht berichten. Charakteristisch in all seinen Filmen ist der Einsatz eines "McGuffin", ein Objekt oder eine Person, die die Handlung vorantreiben selbst aber kaum in Erscheinung treten. Im Westen vorallem durch Alfred Hitchcock bekannt, arbeitet Yamanaka schon 20 Jahre zuvor mit dieser Erzähltechnik.


In "Humanity and Paper Balloons" ist der McGuffin weniger subtil eingesetzt als bei den Vorgängerfilmen und spielt eine untergeordnetere Rolle als beispielsweise der Topf in "The Million Ryo Pot" oder das Messer in "The Priest of Darkness". Yamanaka legt den Fokus der Erzählung stärker auf die Klassenunterschiede und die Darstellung einfacher Lebensumstände. Er investiert viel in aufwendige Settings und Charaktere. Die Story ist auf Grund ihrer Komplexität etwas holpriger als bei den Vorgängerfilmen. Letztendlich unterstreicht dies aber die Dringlichkeit der Botschaft.

Eine starke, emblematische Bildsprache ist bezeichnend für Yamanaka, der mit Kamerapositionierung, elliptischer Narration und den von Yasujiro Ozu bekannten "Pillow-Shots" Elemente des realistischen Melodramas perfektioniert und damit auch als Wegbereiter für spätere Filmemacher fungierte. Gleichzeitig überrascht die humoristische Zeichnung seiner Figuren, die ganz untypisch für die sonst so ernsten Dramen erscheint und dem ganzen Film einen bittersüßen Unterton verleiht.

Yamanakas Gesellschaftskritik, als Spektakel inszeniert, erinnert an die großen Werke von Akira Kurosawa, die nach dem Krieg ebenfalls bei Toho enstanden und von den selben Schicksalen berichten und an die schwierigen Bedingungen im feudalen Japan erinnern. Im Kontext des Putschversuches vom 26. Februar 1936 ist "Humanity and Paper Balloons" auch eine Antwort auf den übergreifenden Faschismus dieser Tage. Gleichzeitig lassen sich Motive wie Ehre und soziale Ungleichheit in allen Epochen widerfinden, was den Film zu einem zeitlosen Klassiker macht.

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