Yasujiro Ozu

Yasujiro Ozu (1903-1963, 54 Filme, Regisseur)

"I see no changes".

Yasujiro Ozu war kein Freund von Veränderungen. Seine 37 erhaltenen Filme haben den Ruf die innere japanische Ruhe und den Konservatismus des Immergleichen darzustellen. Doch Ozu war sich durchaus bewusst, dass man die Zeit nicht anhalten kann. Ganz im Gegenteil. Stillstand war für ihn gleichbedeutend mit dem Tod. Das unvermeidbare Voranschreiten der Zeit und die damit verbundenen Veränderungen waren stets die Quelle seiner Kreativität.

Inspiriert von Vorbildern wie Harold Lloyd versuchte sich Ozu am Beginn seiner Karriere an Imitationen des amerikanischen Slapsticks. College-Studenten ("I Graduated, But..." 1929) und Kleingangster ("Walk Cheerfully" 1930) waren die prägenden Figuren dieser ersten filmischen Gehversuche, ehe er sich ab 1931 ("Tokyo Chorus") den sozio-ökonomischen Verhältnissen Japans immer mehr zuwandte. Das Spannungsfeld zwischen Verwestlichung und Tradition wurde ebenso thematisiert ("The Lady and the Beard" 1931) wie die wirtschaftliche Krise der 30er-Jahre ("An Inn in Tokyo" 1935), die den Modernismus der Showa Ära beendete und das Zeitalter des Militarismus in Japan einläutete. Ozu erzählte die Schicksale der Unterschicht, von deren enttäuschten Hoffnungen und dem harten Leben in der Großstadt ("The Only Son" 1936).

Zu diesem Zeitpunkt kristalisierte sich auch Ozus Kernthema heraus: Die Familie. Hochzeiten und Beerdigungen, Rituale die sowohl Abschied als auch Neuanfang markieren, stellten einen Generationenkonflikt in den Vordergrund, der Ozus universelle und zeitlose Verständlichkeit hervorbrachte. Dabei war das Auseinanderbrechen gewohnter familiärer Strukturen für den Regisseur ein Symptom der modernen Zeit. Die Entfremdung zwischen Eltern und Kindern manifestierte sich am deutlichsten in "Tokyo Story" (1953), seinem vermutlich bekanntesten Werk.

Imitationen und Widerholung waren die Stilmittel die Ozu bei Cast und Story befolgte. Die Rollen besetzte er meist mit den gleichen Schauspielern, so dass sich darüber ein filmisches Universum herausbildete, das in seiner Gesamtheit ein Gefühl von Vertrautheit vermittelte. Wichtige Akteure waren der Drehbuchautor Kogo Noda, sowie die Schauspieler Setsuko Hara und Ryu Chisu. Letzterer spielte in fast allen Ozu Produktionen mit und präsentiert sich dem Publikum über 40 Jahre hinweg, angefangen in der Rolle des Studenten bis hin zum Großvater. Yasujiro Ozu blieb auch seinem Arbeitgeber treu und drehte bis auf drei Fremdproduktionen ("The Munekata Sisters" 1950, "Floating Weeds" 1959, "The End of Summer" 1961) alle seine Filme beim Studio Shochiku. Ozu spielte mit kleinen Variationen, und schreckte nicht davor zurück Remakes seiner eigenen Filme zu verwirklichen ("A Story of Floating Weeds" 1934).

Im Jahr 1936 beugte sich Ozu dem Lauf der Dinge und veröffentlichte mit „The Only Son“ seinen ersten Spielfilm mit Ton. Lange hatte sich der Filmemacher, der fast sein ganzes Leben als Junggeselle zusammen mit seiner Mutter lebte, gegen die Einführung der Technik verwehrt. Die fälschliche Kopie der Welt, die der Film erzeugte, war ihm suspekt und jede neue realistischere Illusion ein weiterer Betrug am Publikum. Die Tonaufnahme probte er zunächst mit der Kabuki-Dokumentation „The Lion Dance“ (1936) bevor er sich dann dem dramatischen Milleu zuwandte. Farbe hielt bei ihm erst 1958 Einzug ("Equinox Flower").

Neben den optischen Veränderungen, wechselte auch der Schauplatz der Dramen. Ozu interessierte sich mehr und mehr für die gehobene Mittelschicht, deren Töchter aus gutem Hause und einsamen, verwitweten Vätern. Arrangierte Hochzeiten ("Late Spring" 1949) und fehlende patriarchale Authorität ("Early Summer" 1951) waren die Themen eines Japans der Nachkriegszeit. Armut und soziale Ungleichheit gerieten in Zeiten des kapitalistischen Aufschwungs in den Hintergrund. Zudem wandte er sich mit "Good Morning" (1959) und dem Remake "Floating Weeds" (1959) überraschend öbszön an sein Publikum und kritisierte unter Anderem materielle und finanzielle Gier, die das Zusammenleben vergifte.

Für Ozu war die Welt ein chaotischer Ort. Das enge Korsett von Schnitt und Erzählstruktur passte nicht in sein Weltbild. Schrittweise erlaubte er zunächst Ton, dann Farbe. Allerdings erst Jahre nachdem diese Stilmittel in der Produktion etabliert waren. Ozus Begründung: Er wolle nun dem Publikum zeigen, wie man es hinters Licht führe und benutze die Techniken als subtile Pervertierung des ganzen Systems. Die Befreiung des Zuschauers sollte mit Verspieltheit und gleichzeitiger Rigidität erreicht werden.

Tief platzierte Kamera, frontale Gesichtsaufnahmen, Rahmung des Bildes mit Hilfe von Gegenständen, emotionlose Dialoge und leere Blicke, sowie die eliptische Erzählung mit den unterbrechenden "Pillow"-Shots, waren nur ein Teil von Ozus filmischem Repertoire. Besonders in den frühen Filmen platzierte er bewusst Gegenstände wie Film- oder Werbeposter, um auf die Verwestlichung Japans aufmerksam zu machen. Später waren es Schornsteine, Wäscheleinen oder Bahnstrecken, die als Stilleben in die Handlung hineingeschnitten wurden und in ihrer Bedeutung so divers und zugleich nichtssagend waren wie das Leben selbst. Immer an der Grenze zur Belanglosigkeit, forderte der Regisseur damit das Publikum auf selbst aktiv zu werden und den Blick schweifen zu lassen.

Blickt man auf Ozus Erbe, so blickt man auf ein Bollwerk des japanischen Kinos, dessen epische Ausmaße schwer zu greifen sind. Die bemerkenswerte jahrzehntelange Beständigkeit die selbe Geschichte immer und immer wieder zu erzählen gleicht einem Mantra. Obwohl Ozu kein religiöser Mensch war, sind für Viele seine Filme zu einem Heiligtum geworden.

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