#103 "Volatile Woman" (2004)

Zu Beginn des neuen Millenniums sah man im japanischen Kino eine Riege junger Filmemacher, die mit kontroversen Werken auf sich aufmerksam machte. Regisseure wie Akihiko Shiota ("Harmful Insect" 2001), Ryuichi Hiroki ("Vibrator" 2003) oder Tatsushi Omori ("Whispering of the Gods" 2005) fanden neue künstlerische Ausdrucksweisen. Sex und Gewalt waren die Themen, der gezeigten Coming-of-Age Geschichten, die mit ihrem Nihilismus den Nerv der Zeit trafen.

Kazuyoshi Kumakiri ist ein weiterer Vertreter dieser Strömung. "Volatile Woman" aus dem Jahr 2004 ist ein kurzer Einblick in sein Können und erzählt in knappen 80 Minuten die Geschichte des Bankräubers Sawada, der bei der verwitweten Tankstellenbetreiberin Etsuko untertaucht.

Das Drama ist Teil der Low-Budget Reihe "Love and Eros" bestehend aus sechs Beiträgen, die als Hommage an die Erotikfilme des Studio Nikkatsu angelegt sind. Kumakiri bezieht sich mit dem Namen "Volatile Woman" auf den Regisseur Kumashiro Tatsumi, dessen Produktionen alle das Wort "Women" im Titel beinhalteten. Dabei präsentiert er keinen Porno im klassischen Sinne, sondern vielmehr eine untypische Liebesgeschichte.

Die anfänglichen Wirren rund um die Home Invasion des Bankräubers erinnern stark an Koji Wakamatsu, der passenderweise einen Gastauftritt im Kumakiris "Green Mind, Metal Bats" (2006) hat. Die wechselhafte Beziehung zwischen der Witwe und dem nervösen Sawada rangiert von Gewalt bis hin zu Abhängigkeit. Dabei schlüpft der junge Mann zunehmend in die Rolle ihres verstorbenen Ehemanns. Bereits in "Hole in the Sky" (2001) und "Antenna" (2004) spielte der Regisseur mit diesem Hitchcock-Doppelgänger Motiv und greift auch hier darauf zurück.


Kinematographisch weniger ansprechend als die beiden Vorgängerfilme, findet die Handlung größtenteils im Haus statt. Das Gefühl der Isolation, typisch für Kumakiri, kommt dadurch leider nicht so stark zur Geltung, da die Figuren nicht in der Leere der Außenwelt zu sehen sind. Die wenigen Outdoor-Szenen sind dafür aber hervorragend inszeniert.

Überraschend ist die Leistung von Amateurschauspielerin Mai Hoshiko, die in "Volatile Woman" ihre erste und einzige Leinwandbesetzung hat. Ihre Erscheinung drückt den kühlen, emotionslosen Charakter sehr treffend aus und übertrumpft die eher schwache Darbietung von Shunsuke Sawada. Hoshikos Rolle zeigt am deutlichsten die Folgen von Einsamkeit und die Auswirkungen, den dieses scheinbare Unglück auf ihr Leben hat, welches sie letztendlich befreit. Denn der Bankräuber gibt ihr wieder Lebensmut und gemeinsam finden sie ihr Glück a la Bonny und Clyde.

Der ehemalige Schüler von Sadao Nakajima ("Memoir of Japanese Assassins" 1969) legt mit "Volatile Woman" ein solides Zwischenstück seiner Filmographie vor. Im Gegensatz zum brutalen Erstlingswerk "Kichiku" (1997) taucht Kumakiri tiefer ein in menschliche Beziehungen und zeichnet ein starkes Frauenbild in ländlicher Umgebung. Weniger experimentierfreudig als bei anderen Produktionen, aber dennoch mit poetischem Charme und erstaunlicher Charakterentwicklung, vermittelt der Regisseur eine für ihn ungewohnt lebensbejahende Botschaft.

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