#92 "Aoi Tori" (2008)

"Aoi Tori"

aka

"The Blue Bird"

Das Thema Mobbing ist ein sehr heikles Thema, dass im japanischen Film schon des Öfteren behandelt wurde. Seit den frühen 2000er-Jahren lassen Filme von Akihiko Shiota ("Harmful Insect" 2001) oder Toshiaki Toyoda ("Blue Spring" 2002) ein zunehmendes Interesse an sozialen Strukturen im Schulwesen erkennen.

Nikkatsu produzierte 2008 "The Blue Bird" basierend auf dem Roman von Kiyoshi Shigematsu, ein beklemmendes Drama mit Hiroshi Abe in der Hauptolle. Abe, der im gleichen Jahr noch in Koreedas "Still Walking" zu sehen war, bekam für die Darstellung des stotternden Vertretungslehrer Murauchi den Mainichi Film Preis als bester Schauspieler.

Die Handlung setzt einige Monate nach dem tragischen Selbstmordversuch eines Schülers ein. Durch Hänseleien der Mitschüler wollte sich der Junge das Leben nehmen, scheiterte aber dabei, überlebte und wurde an eine andere Schule versetzt. Vor seinem Suizidversuch schrieb der Schüler noch einen Abschiedsbrief indem er die Namen dreier Mitschüler nannte, die er für seinen Selbstmord verantwortlich machte. Ein Name wurde jedoch zensiert.

Die Schule ist gerade dabei sich von dem medialen Rummel zu erholen, hat Kummerkästen für die Schüler aufgestellt und so langsam scheint wieder Normalität einzukehren. Das ändert sich aber als Murauchi als Vertretungslehrer in die Klasse des selbstmordgefährdeten Ex-Schülers kommt. Er konfrontiert die Klassengemeinschaft mit den Taten der Vergangenheit und holt den Schulabgänger wieder ins kollektive Gedächtnis indem er sein altes Schulpult in der Klasse aufstellen lässt. Schüler, Eltern und Lehrer protestieren.

Zwei Charaktere fallen neben Murauchi besonders auf. Der sensible Schüler Shinichi Sonobe, gespielt von Kanata Hongo ("Gantz" 2011) und die Lehrerin Shimazaki (Ayumi Ito, "Yentown" 1996), die als einzige im Kollegium zu Murauchi hält. Shinichi fühlt sich geplagt von Schuldgefühlen. Er ist sich sicher, dass sein Name der geschwärzte Name in dem Abschiedsbrief ist. Im Gegensatz zu seinen Mitschülern fühlt er sich verantwortlich und Murauchi hat einen starken Einfluss auf ihn.


Leider muss man sagen, dass der Film als Vehikel für die (Selbst-)Darstellung von Hiroshi Abe dient. Alles konzentriert sich auf ihn. In einer enormen Eröffnungssequenz wird sein Erscheinen über ganze sieben Minuten angekündigt. Dann erst sieht man zum ersten mal sein Gesicht. Die Inszenierung bemüht sich extrem ihn als heroischen Mittelpunkt und als tragischen Aufklärer in Szene zu setzen. Zu viel Pathos, zu wenig Wirklichkeit.

In pädagogisch wertvollen Monologen appelliert der Hauptcharakter an die Menschlichkeit der Jugendlichen. Das wirkt oft sehr starr und kann wenig überzeugen. Die Charaktere handeln klischeehaft und Nebenrollen bekommen zu wenig Aufmerksamkeit.

Dabei ist die Inszenierung sehr stilvoll. Shogo Ueno ("All Around Us" 2008) erzählt mit moderner Bildsprache, kann aber nicht den Schmalz verstecken, den die Schauspieler vortragen. Unterstützt wird der Kitsch zudem von der Band Makichangu. Die Verfilmung des Romans wirkt insgesamt planlos. Handlungsmotive sind nicht richtig erklärt, moralisches Verhalten nicht wirklich gezeigt und dadurch verliert man als Zuschauer das Interesse an den Figuren. Damit verkommt "The Blue Bird" zu einer künstlichen Moralpredigt ohne einen tiefergehenden Eindruck zu hinterlassen. Einzig und allein Hiroshi Abe, den man sonst nur aus skurrilen Mangaverfilmungen wie "Thermae Romae" (2012) kennt, zeigt hier eine überraschend gute Performance und eine andere Seite seines Könnens.

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