#113 "Chaos" (2000)

Hideo Nakata entstammt der letzten Generation von Regisseuren, die ihr Handwerk noch im alten Ausbildungssystem der Filmstudios gelernt haben. Er beginnt 1985 als Assistent von Masaru Konuma ("Woman in a Box") bei Nikkatsu und dreht 1992 den, als TV-Anthologie angelegten Debutfilm "Curse, Death & Spirit". Mit "Ringu" (1998) und "Dark Water" (2002) gelingt ihm sein Durchbruch und machen Nakata zum Wegbereiter einer J-Horror Welle, die ihn bis nach Hollywood trägt.

Im Jahr 2000 schlägt der Shooting-Star aber etwas andere Töne an und veröffentlicht neben der Romanze "Sleeping Bride", auch den Psychothriller "Chaos". Beeinflusst von dem Doppelgänger Motiv bekannter Hitchcock Filme, behandelt "Chaos" die sadomasochistische Beziehung zwischen einer Frau und ihrem selbst beauftragten Kidnapper.

Nach einem Abendessen mit ihrem Mann verschwindet Satomi spurlos. Kurze Zeit später ein Anruf mit der Lösegeldforderung. Der Anrufer ist Kuroda. Er steckt mit Satomi unter einer Decke, um den reichen Ehemann mittels vorgetäuschter Entführung auszunehmen. Doch der Plan nimmt eine dramatische Wendung als Kuroda Satomi tot in ihrem Versteck findet. In Panik vergräbt er die Leiche im Wald. Völlig planlos, wer sie hintergangen haben könnte, begibt sich Kuroda auf die Suche nach dem Mörder und stößt dabei auf Satomi selbst, die scheinbar gar nicht ermordet wurde. Sinnestäuschung oder ein weiterer Komplott, bei dem nun er das Opfer ist?

Miki Nakatani ("Ringu" 1998) in der Rolle der Femme Fatale und Doppelgängerin spielt neben Masato Harigawa ("Cure" 1997) ein perfides Spiel, dessen Regeln sich alle paar Minuten zu ändern scheinen. Der Zuschauer eilt dabei den Winkelzügen des Regisseurs hinterher, wiegt sich in Gewissheit und wird dann ebenso wie Kuroda hinters Licht geführt. Kaum wahrnehmbare Rückblenden und Zeitsprünge machen die Verwirrung perfekt. Das für japanische Verhältnisse hohe Erzähltempo ist sehr erfrischend, lässt aber dennoch Platz für ruhige Bilder, in denen sich erotische Spannungen zwischen den Charakteren entwickeln.

Untermalt von der stimmungsvollen Musik von Kenji Kawai ("Ghost in the Shell" 1995) und gefilmt von Tokusho Kikumura, der bereits bei den Genre-Kollegen Takashi Shimizu ("Ju On: The Grudge" 2002) und Kiyoshi Kurosawa ("Cure" 1997) für die richtigen Bilder gesorgt hat, inszeniert Nakata ein cineastisches Puzzle, welches weniger mit Action als viel mehr mit seiner Undurchsichtigkeit brilliert. Die Charaktere entstammen dem Drehbuch von Hisashi Saito ("Tokyo Fist" 1995) und die hohe Taktung verdankt der Film dem Cutter von "Shall We Dance?" (1996), Junichi Kikuchi.

Die verwendeten Motive des Identitätsschwindels und der Besessenheit werden in westlichen Vorlagen wie Hitchcocks "Vertigo" (1958) oder Chabrols "This Man Must Die" (1969) psychologisch zwar tiefgehender bearbeitet, trotzdem beweist Hideo Nakata mit "Chaos" sein Talent für die Darstellung vom menschlichen Bösen auch abseits des Horror-Genres. Der Identitäts- und Machtkampf, ausgetragen in einem Netz von Intrigen bleibt über die vollen 90 Minuten spannend, schafft dichte Atmosphäre und sticht aus dem durchwachsenen Gesamtwerk Nakatas besonders hervor.

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