#27 "Tsuki wa dotchi ni dete iru" (1993)

"Tsuki wa dotchi ni dete iru"

aka

"Where is the Moon?" / "All under the Moon"

aka

"Wo steht der Mond?"

Tadao ist Taxifahrer in Tokyo und zusammen mit der Philippina Connie. Seine Mutter Eijun betreibt einen Nachtclub, in der Connie als Bardame arbeitet.

Eijun ist aus Nordkorea und hat ihren Sohn in Japan geboren. Damit sind sie beide "Zainichi Koreaner". Der Ausdruck Zainichi Koreaner bezeichnet koreanischstämmige Japaner. Ihren Ursprung haben sie in der Kolonialzeit Japans, in der Korea von Japan besetzt wurde und im Zuge dessen Hunderttausende mehr oder weniger freiwillig nach Japan kamen.

Als Japan 1945 seine Kolonien aufgeben musste, gingen viele Koreaner wieder zurück nach Korea. Einige, ca. 600.000, blieben aber und bauten sich eine neue Existenz in Japan auf. Sie waren, und sind es immer noch, mit Diskriminierung konfrontiert. Besonders in der Nachkriegszeit hatten sie Probleme auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und bekamen nicht die gleichen Rechte wie "normale" Japaner zugesprochen. Von diesen Schikanen ist besonders die 1. Generation von Zainichi Koreanern geprägt, die zudem das Leid des 2. Weltkriegs miterlebt hat. Eijun stammt aus dieser Generation. Tadao hingegen gehört der 2. Generation von Zainichi Koreanern an.

"All Under the Moon" zeigt die Unterschiede der beiden Generationen und macht sich lustig über Klischees. Der Film ist ein Novum, da er mit der Figur Tadaos einen Zainichi Koreaner zeigt, dem seine koreanischen Wurzeln relativ egal sind. Er nutzt sie nur als Mitleidsbonus, um sich bei den Frauen beliebt zu machen. Gleichzeitig macht er sich über die politische Korrektheit der Japaner lustig, die ihn mit Samthandschuhen anfassen, da die Zainichi Koreaner für sie immer noch eine nicht aufgearbeitete Thematik sind.


Connie symbolisiert eine neue Generation von Einwanderern, die in den 90er-Jahren nach Japan kommt. Sie spricht perfektes japanisch mit einem so starken regionalen Slang, dass sogar Tadao, der, als ein in Japan Geborener, manche Ausdrücke nicht versteht. Der Film spielt mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers und der Figuren. Connies Charakter ist selbstbewusst und emanzipiert. Für Eijun stellt sie eine Bedrohung dar. Eijun, die sich selbst schon als Japanerin versteht, macht ihr klar, dass sie wieder zurück auf die Philippinen soll. Sie, als Zainichi Koreanerin, ist gegen die neuen Einwanderer, die im Zuge des Wirtschaftsbooms nach Japan kommen.

"All Under the Moon" zeigt die Paradoxie des Rassismus, der von Menschen ausgeht, die früher selbst darunter litten. Tadao allerdings verkörpert eine neue Generation von Zainichi Koreanern, die weder Japaner noch Koreaner sind. Die Gesellschaft weiß nicht mit ihnen umzugehen und will sie in eine der beiden Schubladen stecken. Für Tadao selbst gibt es aber keine passende Schublade. Er will nur sein Leben leben, wie jeder andere auch und ist an solchen Fragen überhaupt nicht interessiert.

Regisseur Sai Yoichi, selbst Zainichi Koreaner, präsentiert einen typischen Slice-of-Life Film, der mit alltäglichen Situationen und Komik einen vollkommen neuen Zugang zur filmischen Repräsentation von Minderheiten im japanischen Film geschaffen hat. Er löste damit eine Welle an Minderheitenfilmen aus, die sich über die 90er-Jahre hinweg bis zum Korea Boom zu Beginn der 2000er hielt.

In Japan wurde der Film als Meilenstein gefeiert und als neue Ausdrucksmöglichkeit für eine vergessene Generation. Im Ausland ist der Film größtenteils unbekannt. Sai Yoichis späterer Minderheiten-Film "Blood & Bones" (2004), mit Superstar Takeshi Kitano, findet sich hingegen in fast jedem Elektrofachmarkt und präsentiert das „nostalgische“ Klischee des gewaltbereiten Familientyrannen.

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