#68 "Harikomi" (1958)

"Harikomi"

aka

"The Stakeout" / "The Chase"


In der Sommerhitze des Dörfchens Saga lauern zwei Polizisten einem flüchtigen Mörder auf. Aus Tokyo angereist, hoffen sie darauf, dass er dort bei einer alten Liebe Schutz sucht.

Yoshitarō Nomuras Debutfilm ist ein eleganter Kriminal-Thriller, und Grundstein für die Karriere eines großen Regisseurs. Als Sohn des Filmemachers Hôtei Nomura, und Assistent bei Akira Kurosawas "Der Idiot" war Nomura 1958 schon tief in der Filmindustrie verwurzelt.

"Harikomi" basiert auf einem Roman von Matsumoto Seichō, von dem Nomura insgesamt acht Werke (u.a. "The Demon" 1978) verfilmte. Die Filme zeichnen sich besonders durch eine Stilistik aus, die dem japanischen Genrekino kineastischen Flair eingehaucht hat. Vorherrschendes Thema ist neben der Kriminalität die Kritik an sozialen Verhältnissen. Armut, die Rolle der Frau und das Auseinanderdriften familiärer Strukturen bilden den Rahmen in dem Nomura seine Figuren platziert.

Die weibliche Hauptrolle ist mit Hideko Takamine prominent besetzt. Bekannt geworden durch ihre Zusammenarbeit mit Regisseur Mikio Naruse, spielt sie in "Harikomi" als Sadako eine eher unscheinbare Rolle, die ihrem damaligen Ruf als bestbezahlteste Schauspielerin Japans nicht ganz gerecht wird. Im Film beobachten die beiden Polizisten, Takao und Yuji, von einem gegenüberliegenden Hotel, das Gebäude der Hausfrau.

Denn Sadako ist die Jugendliebe des gesuchten Kyûichi und die Polizei glaubt, dass er in seiner Verzweiflung vor ihrer Tür auftauchen wird. Daher nehmen der ältere Takao, gespielt von Minoru Ôki, und der Frischling Yuji, gespielt von Seiji Miyaguchi, die lange Reise von Tokyo in den Südwestlichen Teil Japans, Kyushu, auf sich.


Von Anfang an setzt Nomura das Lebensgefühl dieser Gegend in das Konzept des Filmes um. Die Hitze bestimmt das Handeln der Personen und das Warten auf das Erscheinen des Mörders wird zu einer Geduldprobe, für Polizei und Zuschauer. Trotz einer Länge von zwei Stunden verliert der Film wenig an Spannung. Da die Verfolgung des Täters nur einen Bruchteil der Handlung ausmacht, springt Nomura in Rückblenden in die Vergangenheit der beiden Polizisten. In diesen Momenten erfahren wir von ihren Beziehungen und davon wie unglücklich die beiden eigentlich sind. Der Regisseur konstruiert hier einen Diskurs über die Ehe, die er im Stile eines Melodramas erzählt und in dessen Verlauf die emotionale Seite der Charaktere an Bedeutung gewinnt.

Das Setting des Films erinnert an Hitchcocks "Fenster zum Hof" (1954). Aber Nomura lässt stilistisch keine Verweise zum klassischen Hollywoodkino erkennen. Vielmehr entwickelt er mit Hilfe von Kameramann Seiji Inoue eine spektakuläre Optik. Lange Kamerafahrten, über Kopf oder aus der Luft und das Drehen in 16mm Format tragen zu einem modernen und schnellen Filmerlebnis bei.

Auch typisch für die Filme Nomuras: Zugfahrten. Ein Motiv, welches sich durch fast alle seine Produktionen zieht. So beginnt der Film mit der langen Zugreise von Tokyo nach Saga und endet mit der Abfahrt der beiden Polizisten zurück in die Heimat.

Wie auch in seinen späteren Filmen, "The Castle of Sand" (1974) oder "The Incident" (1978), nutzt Nomura die Polizeiuntersuchung um auf größere, allgemeinere Themen hinzuweisen. Im Vergleich mit ähnlichen Produktionen wie beispielsweise Akira Kurosawas "Stray Dogs" (1949) bleibt "Harikomi" auf einer persönlicheren, realistischeren Ebene. Das Script, entworfen von Shinobu Hashimoto, kämpft gegen die Monotonie der Beschattung und gegen die Hitze des Sommers an. Letztendlich nicht der spannendste Film dieses Regisseurs, aber ein wichtiger Ausgangspunkt für seine Karriere.

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